Vor dir werde ich still,
weil ich auf dich warten will.
Wie ein kleines Kind bei seiner
Mutter ruhig wird, bin ich still.
Deine Liebe ist mein Leben,
deine Treue ist mein Trost.
Bleib bei mir, halte mich bei dir.
Rest in me and be still,
wait for me, because I will
be exalted in the earth, and
all my words I shall fulfill.
The Almighty will be with you,
your salvation comes from me.
Do not fear and stand firm and see.[i]
„Sei stille dem Herrn und warte auf ihn!“ –
Wie schwer fällt es uns, diesen weisen Rat Davids in Psalm 37,7 in der Hektik und dem Trubel des Alltags zu beherzigen. Wieviel schwieriger noch erscheint es uns, unsere Wege dem Herrn anzubefehlen und auf ihn zu hoffen (37,5), wenn wir Unrecht und Ablehnung, Gefährdung und Leid erfahren.
Dabei gehört es zu den Urerfahrungen der Erlösung und Befreiung des Volkes Gottes, dass ihre Hoffnung nicht in ihren eigenen Möglichkeitengründet, sondern in Gottes treuer Zuwendung und Rettung. Als Israel auf Gottes Wort hin aus der Sklaverei in Ägypten aufbrach, befanden sie sich gleich zu Beginn in einer hoffnungslosen Situation: Vor ihnen die Wasser des Meeres, hinter ihnen das bedrohliche Heer des Pharao. Es gab keinen Weg zurück, und was sie vor sich sahen, machte ihnen Angst.
In diese völlig ausweglose Situation hinein lässt Gott dem Volk durch seinen Knecht Mose zusprechen: „Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird!“ (2. Mose 14,13). Im Vertrauen darauf, dass Gott seine Stärke und Herrlichkeit an ihnen erweisen würde, sollten sie unerschrocken weiterziehen: „Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein“ (2. Mose 14,14).
Gott stellte sich schützend hinter sie und eröffnete vor ihnen einen Weg mitten durch das Meer, so dass sie trockenen Fußes der Vernichtung entkamen (14,22.29f.). Die ausweglose Bedrohung, die vor ihnen lag, sollte sich als die Rettung vor der Gefahr erweisen, die ihnen von hinten drohte. Ohne dass Israel selbst Macht oder Möglichkeit hätte, sich vor Zerstörung und Gewalt zu schützen, wurden sie durch Gottes wunderbares Eingreifen gerettet. Ihre lähmende Furcht vor der Gefahr wich der dankbaren Ehrfurcht Gott gegenüber, und an die Stelle ihrer Verzweiflung trat der Glaube an die Treue und Zuverlässigkeit ihres Herrn (14,31).
An diese Grunderfahrung, dass der „Herr Zebaoth“ – der Herr der himmlischen Heerscharen, der hohe und allmächtige Gott – für sein Volk Rettung und Schutz sein will, soll sich Israel stets erinnern, auch wenn sie längst im eigenen Land und in Städten wohnen: „Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! Ich will der Höchste sein unter den Heiden, der Höchste auf Erden. Der Herr Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz“ (Psalm 46,11f.).
Nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch der einzelne Beter darf in diesem Herrn seinen Fels, seine Hilfe und seinen persönlichen Schutz erkennen. In der Gewissheit, dass er nicht wanken wird, kann er auf Gott seine Hoffnung setzen: „Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.“ (Psalm 62,2; vgl. V. 6).
Besonders bewegend mag dieses Bekenntnis im Munde des Mannes erscheinen, der doch für Israel in herausragender Weise männliche Durchsetzungsfähigkeit und Attraktivität verkörperte: David. Gerade er – der in seinem sprichwörtlichen Sieg über Goliath Unerschrockenheit und Heldenmut bewiesen hat – will gegenüber seinem Gott keineswegs selbstsicher und selbstüberschätzend erscheinen. Seine Gottesbeziehung vergleicht der so kampferprobte Erwachsene mit der zärtlichen Vertrautheit eines kleinen Kindes im Verhältnis zu seiner ihn stillenden Mutter: „Herr, mein Herz ist nicht hochmütig, und meine Augen sind nicht stolz. Ich gehe nicht um mit großen Dingen, die mir zu wunderbar sind. Ja, ich ließ meine Seele still und ruhig werden; wie ein kleines Kind bei seiner Mutter, wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.“ (Psalm 131,1f.)
[i] „Vor dir werde ich still“ –
Noten: Wie ein Adler. Hans-Joachim Eckstein. Neue Lieder, Nr. 55;
Audio-CD: Du bist mir so wertvoll. Hans-Joachim Eckstein, Eckstein Production 2020, Nr. 03;
Zu den biblischen Aussagen s. 2. Mose 14,13f.; Psalm 37,7; 46,11f.; 62,2f.; 73,23-26; 131,2